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Die jüdische Gemeinde Laupheim und ihre Zerstörung

Gedenkbuch Seiten  220 - 223

FRIEDLAND, Max,

Radstraße 9

 

DR . UDO BA YER / KARL NEIDLINGER

Max Friedland, Kaufmann, geb. 14.9.1892 in Offenbach/M., gest. 1978 in New York, OO Irma Friedland, geb. Bernheim, geb. 4.6.1888 in Laupheim, gest. 16.11.1966 in New York.
Gertrud, geb. 7.9.1912 in Frankfurt/M., gest. ca. 1970 in Kalifornien,
Ruth, verh. Regis, geb. 25.6.1921 in Biberach, gest. Januar 2000 in New York.
Emigration im Juli 1933 nach Frankreich, 1940 über London in die USA. 

Es lag an Carl Laemmle, dem Laupheimer Filmpionier, dass die Familie Friedland Anfang der 1920er Jahre nach Laupheim zog in dreifacher Hinsicht:

Zum ersten war Max Friedland kaufmännisch im Filmgeschäft tätig. Er war bei der von Laemmle 1928 gegründeten „Deutschen Universal“ Geschäftsführer, seit 1932 war er sogar für ganz Europa zuständig. Dann war seine in Laupheim geborene Frau Irma Bernheim eine Nichte Carl Laemmles. Und schließlich kaufte Friedland das Haus in der Radstraße, in dem die Familie bis 1933 wohnte, im Jahr 1924/25 von Laemmle es ist dessen Geburtshaus. Der Kaufvertrag sah vor, dass bei Laupheim-Aufenthalten des Filmpioniers er oder seine nähere Verwandtschaft weiterhin kostenlos dort wohnen konnten!

 

Das Haus Radstraße 9, Carl Laemmles Geburtshaus kaufte die Familie Friedland 1924/25. Sie behielt es auch nach der Emigration, doch 1941 enteignete der NS- Staat das Haus nach der gleichen Rechtsgrundlage, nach der das Eigentum von Deportierten dem Reich verfiel (11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz, 25. 11. 1941). Daher konnte Irma Friedland nach dem Krieg ein Restitutionsverfahren anstrengen und sie erhielt ihr Eigentum 1950 wieder zurück. Vom Hausinventar waren noch zwei Uhren übrig, die beim Finanzamt Biberach „dienstlichen Zwecken zugeteilt worden waren, welche nun laut Urteil "jederzeit abgeholt werden können“.

 

Die nebenstehende Anzeige aus dem Laupheimer Verkündiger“ vom 4. 11. 1927 belegt die berufliche Tätigkeit Max Friedlands imFilmgeschäft, wenngleich über die gegründete Firma oder ihre Erfolge bei der Errichtung von Kinos wenig bekannt ist. Das Kino in Schramberg, das auf einem Gemälde im Museum abgebildet ist, gehörte beispielsweise der „Lichtspielbetriebsgesellschaft Laupheim“, deren Geschäftsführer Max Friedland war.

Die ältere, noch in Frankfurt geborene Tochter Gertrud besuchte in Laupheim die katholische Mädchenmittelschule und ist auf dem Abschlussfoto von 1927 fünfzehn- jährig abgebildet. Die seit 1905 existierende Schule hatte immer wieder auch jüdische Schülerinnen, was das gute Verhältnis zwischen den Konfessionen damals deutlich macht. Die Mädchenmittelschule vergab als Abschluss noch keine Mittlere Reife, sondern war nur eine durch Französisch und Stenografie erweiterte Haupt- schule, die nach vier Schuljahren schon beendet war.

  

Gertrud Friedland (mittl. Reihe, links) als Abschlussschülerin der katholischen Mädchenmittelschule 1927. Die Namen ihrer Mitschülerinnen: Maria Schönle und Anna Romer stehen hinter ihr, rechts neben ihr Lina Konrad und in der ersten Reihe sitzt Mathilde Fischbach.

(Aus: 100 Jahre Realschule,1996, S.40)

Gertrud Friedland blieb offenbar unverheiratet und ließ sich nach der Einreise in die USA in Kalifornien nieder, nicht wie die übrige Familie in New York. Dort starb sie in den 1970er Jahren.

Die jüngere Tochter Ruth gehört zu den Überlebenden, die 1988 der ersten Einladung in ihre Heimatstadt folgten. So kam sie nach über 50 Jahren wieder zu Besuch nach Laupheim. Bei dieser Gelegenheit entstand der folgende Text:

 

„Im Juli 1933, als ich ein Kind von 12 Jahren war, geschah ein Bruch in meinem Leben und dem Leben meiner Familie. Gott sei Dank waren meine Eltern klug genug, sich vorzustellen, was geschehen würde, wenn wir unter dem neuen Regime in Laupheim bleiben würden. Wir packten einige Habseligkeiten zusammen und machten uns nach Paris auf, wo wir in Frieden lebten und wo wir verschont blieben von der schrecklichen Tragödie, die so viele Angehörige unseres Volkes traf. Laupheim war eine kleine Stadt, die wir liebten, und wir erinnerten uns immer an das gute Leben auf dem Lande, das ich hatte, bis dieser üble Ausbruch geschah, der nie getilgt oder vergessen werden kann . . . Ich bin stolz zu sagen, dass die guten alten USA seitdem meine Heimat sind. Ich bin dankbar, dass dieses Land mir und so vielen anderen in der gleichen Situation die Gelegenheit gegeben hat, ein neues Leben zu beginnen . . . Natürlich habe ich oft an Laupheim gedacht und an das, was ich gegen meinen Willen verlassen musste. Die guten Erinnerungen blieben, und viele Jahre träumte ich von einem Besuch. Ich muss zugeben, dass er, als er Wirklichkeit wurde, ich meine Zweifel, ein eigenartiges Empfinden und eher gemischte Gefühle hatte . . . Die wundervolle Einladung war eine große Gelegenheit zurückzukehren und zu erfahren, dass die neue Generation versucht, die Sache besser zu machen . . .“
 

Ruth Friedland heiratete in den USA Eddie Regis, einen sehr talentierten Künstler puertoricanischer Abstammung, der sein Geld aber meist als Taxifahrer verdienen musste. Ruth arbeitete bis ins hohe Alter in einem Frisiersalon und traf sich regelmäßig mit dem Kreis ehemaliger Laupheimer, die in New York lebten. Im Januar 2000 verstarben Ruth und Eddie Regis kurz nacheinander.

 

Ruth und Eddie Regis 1989.

(Foto: U. Bayer)

Max Friedland betätigte sich in den USA nicht im Filmgeschäft sondern wieder in der Lederbranche, wo er, aus Offenbach stammend, seine ersten kaufmännischen Erfahrungen gesammelt hatte. Er scheint recht erfolgreich gewesen zu sein und brachte es zu beachtlichem Wohlstand. Das Foto des Paares entstand am 75. Geburtstag von Irma Friedland 1963. Drei Jahre später starb Irma, ihr vier Jahre jüngerer Gatte heiratete danach noch ein zweites Mal. Max Friedland verstarb 86- jährig im Jahr 1978.


 Irma und Max Friedland im Jahr 1963 bei der Feier des 75. Geburtstages von Irma.

(Foto:Dr. U. Bayer)

 

 

 

Quellen:

1. Restitutionsakten, Staatsarchiv Sigmaringen, Wü 126/9, Nr. 26.

2. Schriftlicher Bericht von Ruth Regis, 1988, Archiv U. Bayer.

3. Laupheimer Verkündiger“, 24. 11. 1927.

4. Karl Neidlinger, „Hundert Jahre Realschule“, 1996, Friedrich-Adler-Realschule Laupheim.

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